Ama ist das wohl meist falsch übersetzte Sanskrit-Wort im Internet. Das ist eine persönliche Vermutung, aber eine mit gutem Grund. Von «Schlackenstoffen» bis hin zu «Giftstoffen» findet man allerlei Unsinn im Netz, der sich weder mit ayurvedischen Klassikern noch mit modernem Wissen des Stoffwechsels deckt. Daher fangen wir mal vorne an: Leben ist Stoffwechsel. Entgiften ist also etwas, was dein Körper jeden Tag macht, das lässt sich gar nicht vermeiden. Und solange du keine giftigen Pilze gegessen hast, sollte er mit dieser Aufgabe auch ganz gut alleine zurecht kommen.

Stoffwechsel ist also die primäre Funktion unseres Körpers: Stoffe aufnehmen, verarbeiten, Energie daraus gewinnen und den Rest wieder ausscheiden (*Disclaimer: natürlich nicht nur, die Biologie definiert Leben anhand von mehreren Merkmalen: Stoffwechsel, Bewegung, Reizbarkeit, Wachstum/Entwicklung, Fortpflanzung, je nach Autor kommen noch andere dazu oder sie werden umgruppiert. Der Stoffwechsel jedoch, ist das Merkmal, welches die anderen überhaupt erst ermöglicht). Modernes Marketing hat jedoch irgendwann herausgefunden, dass sich die Idee des «Entgiftens» ganz hervorragend verkaufen lässt. In jedwelcher Form. Von der Saftkur bis zum Trockenfasten. Unter dem Stichwort Detox lässt sich fast alles verkaufen. Und der Anlass, der Call to Action, der findet sich bei fast jede:r von uns. Dir fehlt Energie? Entgiften. Du wiegst mehr, als dir lieb ist (oder mehr als uns irgendeine Hochglanzbroschüre als ideal vorgaukelt)? Entgiften. Deine Haut ist nicht ganz so ebenmässig, wie auf den Fotos im Internet (und auf denen die Menschen sowieso alle geschminkt und die Bilder hinterher noch gefiltert sind)? Entgiften. Alles, was uns stört, muss raus, weg mit dem «Gift» und dann wird das schon. Klar, du wirst einen Effekt sehen, wenn du dich einer rigorosen Ernährungsumstellung oder einem rigorosen Ernährungsentzug unterwirfst. Aber kommt das wirklich vom Entgiften? Ganz so simpel funktioniert unser Stoffwechsel leider nicht. Deshalb gibt es im Ayurveda den Begriff Ama (mit langem erstem a, Aaaama). Ein ganz kurzes Wort, das an sich ein komplettes Konzept beinhaltet.

Wieso sitzt ein Elefant auf dem Schreibtisch?

Übersetzen kann man Ama mit Ungekocht oder Unreif. Und das trifft es sehr viel besser, finde ich, als Gift, oder Schlacke. Denn Ama ist das, was unseren Körper belastet und eigentlich da nicht hingehört. Du kannst dir das ein bisschen so vorstellen, wie deinen Schreibtisch, wenn du mal eine Weile richtig Stress hattest: da liegen ein paar Dinge herum, die da eigentlich nicht hingehören oder die einfach noch nicht fertig sind oder noch nicht abgewaschen und weggeräumt. Es sind aber durchaus Dinge, die auf einem Schreibtisch mehr oder weniger Sinn machen, also Kaffeetassen, Blätter, Mäppchen, Ordner, vielleicht eine Pflanze… was du halt so auf deinem persönlichen Schreibtisch rumliegen hast. Unsere Schreibtische sind ja fast so individuell verschieden wie unsere Teller. Es gibt auch Dinge, die haben wir alle auf dem Tisch: einen Bildschirm, Schreibzeug, Tastatur… Es sitzt aber kein Elefant mitten auf der Tastatur. Also nichts, was da absolut nicht hingehört, den Schreibtisch innert Kürze zerstören würde und dringend weggebracht werden muss. Und genauso verhält es sich mit Ama. Ama ist kein Elefant, der auf unerklärliche Weise hierhergekommen ist, es sind die vielen kleinen Dinge, die mal in einer Stressphase liegengeblieben sind und jetzt den Schreibtisch zumüllen. Und weil er zugemüllt ist, fällt das Arbeiten nicht mehr ganz so leicht. Ama sammelt sich mit Vorliebe bei Stress, ungeschickter Ernährung oder am Ende des Winters an. Es sind die Dinge, die der Körper angefangen hat, zu bearbeiten, aber noch nicht fertig geworden ist damit. Weil ihm entweder die Zeit dazu fehlte oder die Energie oder beides.

Wie du den Elefanten los wirst, weiss ich nicht. Aber wie du Ama beseitigst schon.

Und genau so werden wir Ama auch wieder los: wir geben dem Körper die notwendige Zeit. Wir machen also genügend Pausen zwischen den Mahlzeiten, nicht ständig snacken. Und wir geben ihm die notwendige Energie, zum Beispiel durch eine ausgewogen zusammengestellte Ernährung, die auch unseren aktuellen Dosha-Gleichgewichtszustand berücksichtigt. Oder durch Wärme. Im Ayurveda benutzt man dazu eine Svedana, eine Schwitzbox, bei der oben der Kopf rausguckt, ein heisses Bad funktioniert aber auch. Als Trick77 helfen auch spezielle Gewürze, die den Körper dabei unterstützen, den Anti-Ama-Booster zu zünden. Das sind zum Beispiel Ingwer, Granatapfel, das indische Gewürz Hing, Koriandersamen oder der ayurvedische Klassiker Trikatu-Churna. Das ist eine Mischung aus Ingwer, schwarzem Pfeffer und langem Pfeffer (Pippali).

Fastentag statt Detox-Kur

Je nach Möglichkeiten und persönlicher Konstitution empfiehlt sich die eine oder andere Möglichkeit oder eine Kombination von mehreren. Welche zu dir passen, ist eine relativ komplexe Frage, die du am besten im Rahmen einer persönlichen Konsultation klärst. Was jedoch definitiv keine gute Idee ist, sind die Online-Detox-Kuren, die oft angeboten werden, bei denen für alle dieselben ausleitenden Verfahren der Ayurveda-Medizin angewendet werden, wie zum Beispiel die Virecana bei welcher der Körper dazu gebracht wird, sich schnell und heftig über den Darm zu entleeren. Diese Anwendungen gehören in die Hände von Naturheilpraktiker:innen Ayurveda-Medizin und müssen Teil eines Behandlungskonzeptes sein. Sie sind auch nie der erste Schritt. Wenn du deinem Körper in Eigenregie helfen möchtest, das Ama loszuwerden, dann empfiehlt sich ein regelmässiger Fastentag. Also ein einzelner Tag, an dem du zum Beispiel nur warmes Wasser trinkst. Oder wenn dir das zu heftig ist, eine leckere selbstgekochte Suppe isst. Wenn dir das immer noch zu krass ist, dann empfehle ich einen Kitchari-Tag. Kitchari ist ein indisches Eintopfgericht, zu dem es in etwa so viele Rezepte gibt, wie Grossmütter in Indien. Was aber immer gleich ist, ist die Basis: Reis gemischt mit Linsen. Gekocht mit Gemüse und gewürzt mit einer indischen Gewürzmischung, die sehr individuell sein darf aber immer minimum Kurkuma und Pfeffer enthält. Diesen Tag kannst du dann nach Lust und Laune wiederholen. Und ich verspreche dir, du wirst auch hier einen Effekt spüren.