Im Ayurveda ruht ein erfülltes und ausgeglichenes Leben auf drei Säulen: Ernährung (Ahara), Erholung (Svapna) und dein ganz persönlicher Weg, dein Brahmacharya oder auch dein Dharma. Doch wie findet man den persönlichen Weg im Inneren? So ganz ohne Googlemaps?

Die erste Säule heisst im Sanskrit Ahara, das steht für die Ernährung und umfasst sowohl die ausreichende Zufuhr von Nährstoffen als auch die Verwendung dieser Nährstoffe. Sprich die Bewegung gehört hier direkt schon mit hinein. Ernährung umfasst aber noch mehr als das, was wir uns in den Mund schieben. Ahara umfasst auch alle Dinge, die wir in unsere Augen und unsere Ohren und somit in unseren Geist hineinlassen. Wenn wir nur Junkfood essen, wundert sich wohl niemand, wenn der Körper nicht so richtig mitmacht, oder? Aber wer sich aber regelmässig ausschliesslich Junkfood-Inputs über seine anderen Kopf-Portale also über die Augen und die Ohren verabreicht, sollte sich eben genauso wenig wundern, wenn dadurch der Geist leicht aus dem Gleichgewicht gerät. Unsere übliche Dauerberieselung, die laut, grell, bunt, düster und womöglich auch noch voller Negativität ist, ist sozusagen das Junkfood-Äquivalent für den Geist. Wer nur sowas konsumiert, wird es schwer haben, innerlich zur Ruhe zu kommen.

Da hilft dann oft auch die zweite Säule nicht mehr viel: Svapna. Das ist der Schlaf, der so wichtig ist, um uns zu erholen und zu regenerieren. Dass Erholung mit dazu gehört, das dürfte selbsterklärend sein. Auf diese Säule werden wir in einigen Wochen in einem separaten Beitrag noch näher eingehen. Denn so logisch es auch ist, dass wir Schlaf brauchen, so schwierig ist es mitunter, ihn zu bekommen.

Wir nähren uns nicht nur über den Mund, sondern auch über die Ohren und die Augen

Die dritte Säule, die wollen wir heute etwas genauer anschauen: sie heisst Brahmacharya. Dieser Begriff wird oft mit Frömmigkeit übersetzt. Das greift jedoch viel zu kurz. Brahmacharya ist mehr, als eine Verbeugung vor einem Altar. Es ist vielmehr die Verbeugung vor dem Höchsten. Oder, so die wörtliche Übersetzung von Brahmacharya, der «Weg zum Höchsten». Was dieses Höchste denn nun genau ist, das ist durchaus persönlich. Hast du ein sehr greifbares Bild von etwas, das du als grösser wahrnimmst als dich selbst? Und motiviert dich dieses Bild, ein besserer Mensch sein zu wollen? Wunderbar. Mehr Details muss ich nicht wissen. Das ist alles, was zählt. Es muss auch kein Bild sein. Dein persönliches Höchstes darf auch eine Idee sein, die Natur, das Universum… wenn wir uns einig sind, dass es aus welchem Grund auch immer sinnvoll ist, ein guter Mensch sein zu wollen, sind wir uns einig. Punkt. Der Rest sind nur Details.

Dein Dharma ist dein ganz persönlicher Polarstern

Ganz egal, wie du nun zur Visualisierung deines ganz persönlichen Höchsten gekommen bist, wenn du dir diese Frage überhaupt stellst, dann hast du den grössten Teil des Weges bereits zurückgelegt. Gratuliere! Und somit bist du deinem Dharma schon ein ganzes Stück näher. Oups… Buzzword: Dharma. Liest man in letzter Zeit immer öfter mal, oder? Doch was ist das denn genau? Dharma wird oft übersetzt mit Lebensziel oder Lebenszweck. Es ist sozusagen unsere eigene ganz persönliche Marschrichtung im Leben. Unser Polarstern, dem wir folgen. Die Bhagavat Ghita, das grosse spirituelle Leitwerk Indiens, erklärt, dass es immer (!) besser sei, das eigene Dharma so gut es halt eben geht zu verfolgen, auch wenn man Fehler macht, auch wenn es schwierig ist – als eine perfekte Imitation des Lebens von jemand anderem leben zu wollen. Was wiederum die Wichtigkeit der Beantwortung der Frage nach dem eigenen Dharma betont. Was ist es denn nun genau, wozu wir hier sind? Keine einfache Frage, ich weiss.

Loslassen ist Übungssache – und manchmal passiert es einfach so

Im Kontext von Upastambha werden für diesen Weg zwei Werkzeuge beschrieben: die Sinneskontrolle (Indryasamyama) und die Emotionskontrolle (Saumanasyaprabhrti). Klingt irgendwie bekannt? Genau. Meditation. Hier kontrollieren wir unsere Sinne und unsere Emotionen, wir lassen los und versuchen, uns auf das Wesentliche zu fokussieren. Oder eben: auf das Höchste. Dieses Loslassen beinhaltet auch das Loslassen von der Idee, das unsere Handlungen jedesmal direkt belohnt werden müssen, wenn sie richtig waren. Oder dass wir bestraft werden müssen, für jeden Fehler, den wir gemacht haben. Karma sagst du? Nein, sorry, so simpel funktioniert Karma nicht. Das Resultat unserer Handlungen kann auch erst sehr viel später eintreffen, so spät, dass wir oft den Zusammenhang gar nicht mehr wahrnehmen können. Deshalb ist es auch ein ziemlich sicherer Weg direkt in Richtung Verbitterung, jedesmal eine Belohnung zu erwarten, wenn wir etwas richtig gemacht haben. Oder sich selbst zu bestrafen, wenn wir einen Fehler gemacht haben und daraufhin nichts Schlimmes passiert ist. Manchmal ist ein Fehler auch einfach nur die Gelegenheit, es noch einmal zu probieren.

Ein Schritt nach dem anderen…

Klingt schwierig? Ja, das Leben und unsere Psyche haben da so ihre Tücken. Aber gleichzeitig kann es auch ganz einfach sein. Nämlich dann, wenn man es erlebt, dieses Loslassen. Manchmal rutscht man in der Meditation wie von Zauberhand einfach so hinüber in diesen Zustand. Hinein in eine Welt, wo du auf einmal gleichzeitig loslässt und auch losgelassen wird. Wo du irgendwie schwebst und doch getragen wirst. Wo dein persönlicher Polarstern auf einmal ganz klar leuchtet. Das ist dann das Gegenteil der Junkfood-Version von Dingen, die wir sonst an unseren Geist verfüttern. Das ist sozusagen der Superfood für unseren Geist. Und das ist auch der Weg, um der Beantwortung dieser einen Frage vielleicht ein kleines Stückchen näher zu kommen. Und das reicht dann auch schon. Denn Dharma und Brahmacharya sind wie gesagt, am Ende vor allem ein Weg.